Studie: "Die Qualität ihres Umfelds ist entscheidend für ihr Wohlbefinden"

Hochsensible Menschen reagieren empfindlicher auf Reize und sind von lauten, überfüllten Umgebungen oft schnell erschöpft. Eine britische Studie konnte nun zeigen, dass sie deshalb ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen haben – aber auch gut auf entsprechende Behandlungen reagieren.
Sie empfinden die Welt oft als laut, stressig und überfordernd – hochsensible Menschen reagieren empfindlicher auf Reize und brauchen oft mehr Rückzug, um diese intensiven Sinneseindrücke zu verarbeiten. Ein Team aus Psycholog:innen der britischen Queen Mary University of London konnte nun in einer Meta-Analyse von insgesamt 33 Studien zeigen, dass sogenannte HSP, kurz für "Highly Sensitive Person", auf Deutsch hochsensible Person, ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen haben.
Forschung zum Zusammenhang zwischen Sensibilität und psychischen ErkrankungenFür die Meta-Analyse hat das Forschungsteam den Zusammenhang zwischen Sensibilität und gängigen psychischen Erkrankungen wie Depression, Angststörungen, Agoraphobie oder posttraumatischer Belastungsstörung bei Jugendlichen und Erwachsenen untersucht. Die Expert:innen fanden dabei einen deutlichen positiven Zusammenhang und schlussfolgerten, dass hochsensible Menschen etwa häufiger Depressionen und Ängste entwickeln als weniger sensible.
In der Studie wurde Sensibilität als Persönlichkeitsmerkmal definiert, das die besonders stark ausgeprägte Fähigkeit widerspiegelt, Umgebungsreize wahrzunehmen und zu verarbeiten – etwa grelles Licht, subtile Veränderungen in der Umgebung oder die Stimmung anderer Menschen.
Sensibilität hat bislang wenig Aufmerksamkeit in der Forschung bekommenDie Studienautor:innen machen deutlich, dass Sensibilität bislang in der psychologischen Forschung und klinischen Praxis nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Stattdessen hatte man sich in der Vergangenheit überwiegend auf Neurotizismus und dessen Verknüpfung mit psychischen Erkrankungen konzentriert. Die Ergebnisse dieser Meta-Analyse zeigen jedoch, so das Team, dass das Verständnis der individuellen Sensibilität therapeutisch relevant sein kann.
"Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Sensibilität in der klinischen Praxis stärker berücksichtigt werden sollte – auch zur Verbesserung der Diagnostik", Tom Falkenstein, Psychotherapeut und Doktorand an der Queen Mary University of London. "Darüber hinaus könnten unsere Ergebnisse helfen, die Behandlung zu verbessern." Etwa 31 Prozent der Menschen würden als hochsensibel gelten und seien – wie die Ergebnisse zeigen – empfänglicher für bestimmte psychologische Interventionen.

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Michael Pluess, Professor für Entwicklungspsychologie an der University of Surrey und Gastprofessor an der Queen Mary University of London, ergänzt allerdings: "Gleichzeitig ist es wichtig, daran zu erinnern, dass hochsensible Menschen auch besonders empfänglich für positive Erfahrungen sind – einschließlich psychotherapeutischer Behandlung." Auch gehe es hier nicht darum, Sensibilität zu pathologisieren, sondern die Eigenschaften anzuerkennen, die eine differenzierte Herangehensweise erfordern.
Pluess betont: "Unsere Ergebnisse zeigen erneut, dass sensible Menschen sowohl von negativen als auch von positiven Erfahrungen stärker beeinflusst werden und dass die Qualität ihres Umfelds entscheidend für ihr Wohlbefinden ist."
Besonders der letzte Satz könnte entscheidend sein. Denn Hochsensibilität ist keine Erkrankung, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal. Aber eben eines, das das Gehirn dieser Menschen empfindlicher auf Reize reagieren lässt. Und dies erfordert womöglich andere Umgebungen für diese Personen, mehr Rückzugsmöglichkeiten und einen sensibleren Umgang mit ihnen.
mbl Brigitte
brigitte